Das Passatsegel
Schon die allerersten Langfahrtsegler wussten das angenehme Seeverhalten der Yacht bei dieser Art zu segeln sehr zu schätzen. Dabei wurde in der langen Dünung des konstanten Passatwinds das Großsegel geborgen und je eine Genua nach Lee und eine nach Luv ausgebaumt.
Sehr schnell lernten die Hochseesegler, dass zwei, in etwa gleich große, Vorsegel dabei die Selbststeueranlage deutlich entlasten, ein Vorteil der bis heute gilt. Ferner wurden die Rollbewegungen minimiert. Das wiederum macht das Leben an Bord sehr viel angenehmer. Und das gesamte Handling an Bord wurde vereinfacht, was gerade für die kleine Crew sehr wichtig ist. Nachdem der Spinnaker, der Gennaker, der Parasailer und viele andere Varianten von Vordemwindsegeln an Bord ihren Platz gefunden hatten, wurde das Passatsegel immer weiter in den Hintergrund gedrängt und geriet bei vielen Seglern in Vergessenheit, zu Unrecht wie wir finden.
Auf unseren zahlreichen Vorträgen und Seminaren, insbesondere auf den Veranstaltungen des Hochseeseglerclubs „Trans Ocean“, haben wir immer wieder auf die Vorteile hingewiesen. Oft haben wir dabei leider „gegen Windmühlen“ gekämpft. Umso mehr freut es uns, dass jetzt auch andere Segelmacher diese alte und bewährte Technik wiederentdecken und die Passatsegel auch in den Kreisen der erfahrenen Fahrtensegler eine immer stärker werdende Resonanz finden. Mit unseren heutigen Möglichkeiten, wie zum Beispiel den guten Rollreffanlagen, den einfach zu bedienenden Spinnakerbäumen und den hochwertigen Segeltüchern gibt es nicht nur für die Langfahrtsegler interessante Einsatzmöglichkeiten.
Doch wie sieht ein Passatsegel eigentlich aus? Es handelt sich hier um zwei exakt gleich große Segel. Diese werden aber in nur einem Vorliekstreifen am Vorliek zusammengefasst und mit nur einem Fall gesetzt. Auf den Amwindkursen liegen die beiden Segel aufeinander und teilen sich die Lastaufnahme, daher können die einzelnen Segel sehr leicht sein. Von der Größe her entspricht jedes der beiden Segel in etwa einer Genua 2. Nur die Schothörner sind etwas höher gezogen, also die Achterlieklänge wird etwas eingekürzt. Dies ist auf den Vordemwindgängen“ wichtig. Hier werden die beiden Segel aufgeklappt gefahren und die beiden Schothörner, jeweils eines zu einer Seite mit den Spinnakerbäumen nach außen gehalten. Ein absoluter Clou ist, dass beide Segel zusammen gerollrefft werden! Und dies sogar auf allen Kursen, also am Wind genauso wie ausgebaumt vor dem Wind. Einfacher kann das Segelhandling nicht sein. Eines muss an dieser Stelle ganz klar gesagt werden: Das Passatsegel ist kein Segel, das auf möglichst hohe Performance ausgelegt ist. Hier geht es um einfaches, sicheres segeln und um die Schonung des Riggs sowie des gesamten Materials. Ebenso ist die Anschaffung eines Passatsegels nicht sehr günstig. Man kauft ja praktisch zwei identische Segel (nahezu doppelte Kosten) und man sollte auch zwei Spinnakerbäume mit den jeweiligen Anschlagpunkten an Bord haben. Wir sehen heute das Passatsegel als ideales Segel für zwei Gruppen von Fahrtenseglern. Zum einen die der klassischen Langfahrtsegler, hier ist das Segel sehr bewährt und einfach nur sinnvoll.
Zum anderen aber auch die Fahrtensegler, die es möglichst einfach an Bord haben möchten. Sieht es in der Praxis heute doch sehr häufig so aus, dass im Frühjahr eine Rollreffgenua im Hafen gesetzt wird und über die Saison nur dieses Segel eingesetzt wird. Auf Amwindkursen und Halbwindkursen mag die Rollreffgenua ihren Dienst erfüllen, doch spätestens, wenn der Kurs zu einem segeln vor dem Wind führt, ist die normale Genua am Ende und das Segeln wird sehr unbefriedigend. Der ambitionierte Segler wird jetzt einen Spinnaker oder Gennaker setzen. Auf den Fahrtenyachten geht dagegen recht häufig der Motor an. Dies muss nicht sein, bei einem Passatsegel wird jetzt einfach die eine Segelseite nach Luv gezogen und ausgebaumt und schon geht der Segelspaß weiter.
Im Folgenden haben wir Ihnen einen Bericht von unserem Kunden Herrn Jens Jensen aus Kiel angefügt. Herr Jensen befindet sich z. Z. auf einer ausgedehnten Langfahrt. Mit seiner freundlichen Erlaubnis dürfen wir seinen Erfahrungsbericht veröffentlichen:
Wir erwarteten eine normal zu benutzende Genua und gleichzeitig ein einfach zu setzendes und einfach zu bergendes Vorwindsegel. Wir sind es gewohnt mit mehreren Mitseglern Spinnaker und zu Zweit Gennaker zu Segeln. Auf Reisen wird dann ein kleiner (Reise-) Gennaker eingesetzt.
Theoretisch wussten wir von den Vorteilen einer in einem Keder geführten Doppelgenua als Passatsegel. Praktisch übertraf es alle unsere Erwartungen. Selbst während ich diese Zeilen schreibe huscht ein Lächeln über mein Gesicht – wenn die Erinnerung das Passatsegel sich öffnen lässt. Von 60 qm Genua auf 120 qm Passatsegel sind eindrucksvolle Zahlen. Aber die Wirklichkeit kann damit nicht abgebildet werden. Öffnete sich bisher unser Spinnaker, so musste der Steuermann achtgeben. Öffnet sich das Passatsegel, so zieht sich das Schiff selbst in die passende Richtung. Und das bei einer ähnlichen Geschwindigkeitszunahme.
Brauchten wir zum Spinnaker Segeln eine Crew von 3-4, für den Gennaker noch eine Crew von 2, so können wir jetzt das Passatsegel einhand setzen und bergen. Bezogen auf die Geschwindigkeit und Handling haben wir uns angewöhnt, das Passatsegel ohne Großsegel zu fahren. Der Geschwindigkeitsverlust war nicht wirklich messbar, der Vorteil ohne Großsegel zu fahren, aber groß. So ist es jederzeit, insbesondere bei Nachtfahrten, möglich, das Passatsegel stufenlos zu reffen/einzurollen und der Windkraft anzupassen. Das Reffen mit der Rollreffleine ist dabei jederzeit, sowohl mit zwei Spibäumen als auch freifliegend, möglich.
Das Passatsegel lässt sich freifliegend oder mit zwei Spibäumen setzen. Um unter Autopilot mit einer geringen Ansprechrate segeln zu können, nutzen wir ca. 15 bis 20 Grad weniger Windwinkel als maximal möglich. Erstaunlich war für uns ein freifliegendes Segeln von ca. 25 Grad vorlicher als 180 Grad Windeinfall. So bleibt uns ein „sicherer Bereich“ von ca. 50 Grad. Noch erstaunlicher der verfügbare „sichere Bereich“ unter Spibäumen von ca. 80 Grad. Dadurch erweiterte sich der übliche / tägliche Einsatz dieses Passatsegels deutlich, da der Zielort nicht mehr direkt vor dem Wind liegen muss.
Durch das „Hochschneiden“ der Unterlieken sind wir zudem in der Lage Ausguck zu halten, was sonst nicht möglich wäre. Wir standen in der Vorbereitungsphase vor der Wahl einen Spinnaker ohne oder mit Flügel bzw. einen Gennaker zu nutzen, oder uns diese Doppelgenua mit zwei Spibäumen anfertigen zu lassen. Nun sind wir uns gewiss, dass dies die richtige, weil funktionierende und sichere Option ist.
Soweit der sehr anschauliche Bericht von Bord.
Für Fragen rund um das Passatsegel stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und verweisen auch auf die neuste Ausgabe der Fachzeitschrift „Palstek“. Hier wird ebenfalls ein umfangreicher Bericht über die Passatsegel erscheinen.
Ihre Segelwerkstatt Crew